Der Ursprung dieser ,,Reflexionen zum Lutherjahr" liegt in einem religionspsychologischen Seminar mit katholischen und evangelischen Studenten der Universität Köln. Vor dem Lutherjahr wurde in der katholischen Kirche das Franziskusjahr begangen. Die ursprüngliche Absicht des Seminars war eine persönlichkeitspsychologische Gegenüberstellung von Franziskus und Martin Luther, die in ihren Kirchen auf je eigene Weise als Reformatoren gelten. Diese Gegenüberstellung sollte gleichzeitig ein ökumenischer Beitrag der Seminarteilnehmer zum Lutherjahr sein Die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Luthers Schriften und den zahlreichen Biographien über ihn, der Verlauf des Lutherjahres und das dargestellte öffentliche Lutherbild, vor allem aber die davon abweichenden Forschungsergebnisse von D. Emme und Th. Beer u. a. haben dann zu dem hier vorliegenden Ergebnis geführt. Wenn auch Nietzsches Auffassung über Luther korrekturbedürftig ist, so muß ihm doch insofern recht gegeben werden, daß das allgemein gepflegte oder ,,angelernte" Lutherbild der Öffentlichkeit eine ,,Geschichtskonstruktion" darstellt, die mit dem historischen Luther nicht übereinstimmt. Luthers Biographie muß neu geschrieben werden Zu dm biographisch und theologisch ,,neuen" Erkenntnissen (z. B. Luthers Lehre von der ,,doppelten Gerechtigkeit'’) kommen hier noch hinzu die psychologisch und psychopathologisch bedeutsamm Züge der Persönlichkeit Luthers, die einen neuen Zugang zum Verständnis des Reformators und seiner Theologie eröffnen.