In Sprechzimmer und Beichtstuhl wird von menschlicher Not gesprochen, besonders von Not, die aus der Schuld kommt. Aber warum wagt sich solche Not oft nicht mehr in den Beichtstuhl und zieht das Sprechzimmer vor? Ist vielleicht die Not differenzierter geworden, so dass sie zur Klärung ein Gespräch braucht mit jemand, der in menschlichen Tiefen Bescheid weiß? Ein anderer Grund für diese Verschiebung könnte auch sein, dass eine Hilfe erwartet wird, die im Beichtstuhl nicht oder nur selten gefunden wird, nämlich eine Klärung für die Bedeutung einer Schuld im Zusammenhang des ganzen Lebensganges, d. h. die biographische Sicht der Schuld. Nicht selten Muss dabei echte Schuld von unechtem, ja neurotischem Schuldkomplex geschieden werden.
Im Hintergrund aber steht das große Verlangen einer zunehmenden Zahl wach gewordener Menschen nach Selbsterkenntnis, nach Verstehen, nach Deutung unverstandenen Lebens und nach Wegweisung im Leben von heute, das der seelischen Verarbeitung so viel mehr auferlegt als früher. Das religiöse Leben wird schwieriger, auch das der Christen, weil die menschliche Natur bewusster und selbstbewusster leben will. Religiöses Leben kann nur gedeihen, wenn bestimmte Vor¬bedingungen natürlichen Lebens berücksichtigt werden. Es ist das Anliegen von Josef Goldbrunner, mit diesem Buch die Fruchtbarkeit der Tiefenpsychologie für das moderne Seelenleben zu zeigen, auch für das religiöse Seelenleben.
Im Mittelpunkt dieses Buches steht deshalb der Mensch, in und außerhalb von Sprechzimmer und Beichtstuhl. Der Titel weist wie mit einem Brennglas auf Möglichkeiten hin, wie Not und Hilfe sich finden könnten.